SVV heisst SelbstVerletztendes Verhalten und tritt in verschiedenen Formen auf.

- schneiden mit scharfen Gegenständen wie z.B. Rasierklingen und Messern
- mit Scherben die Haut einritzen
- Wiederholtes Kopfschlagen
- Ins-Gesicht-schlagen
- In-die-Augen-bohren
- Beißen in Hände, Lippen oder andere Körperpartien
- oberflächlichen Hautverletzungen
- Verbrühungen
- sich mit Zigaretten oder einem Bügeleisen Verbrennungen zufügen
- Abbeißen von Fingerkuppen
- Verletzungen durch Kopfschlagen
- exzessiver Sport
- ungesunde Ernährung
- zuwenig Schlaf

Es heißt Menschen, die sich selbst verletzen, können häufig nicht mit ihren Gefühlen umgehen, und es scheint einen biologisch erklärbaren Antrieb dafür zu geben. Sie neigen zu leichter Aggressivität und ihr Gemütszustand zum Zeitpunkt der Selbstverletzung ist wahrscheinlich eine stark intensivierte Version einer langbestehenden zugrundeliegenden Stimmung, (Herpertz, 1995). Ähnliche Ergebnisse beschrieben Simeon et al. (1992); sie fanden heraus, daß es zwei emotionale Hauptzustände gibt, die am häufigsten bei den Personen, die sich selbst verletzen, zum Zeitpunkt der Handlung vorhanden sind: Angst- und Ärgergefühle, die zudem seit längerer Zeit als Persönlichkeitsmerkmale bestehen. Linehan (1993a) fand heraus, daß die meisten SVV-ler ein stimmungsabhängiges Verhalten zeigen, in Übereinstimmung mit den Forderungen ihres gegenwärtigen Gefühlszustandes handeln, anstatt längerfristige Wünsche und Ziele zu erwägen.
Nach Steven Levenkron (1998) sind SVV-ler in der Gesellschaft oft weder unauffällig, scheu oder schüchtern, trotzdem fühlen sie sich als Aussenseiter, denken, dass sie anders als alle Menschen in ihrer Umgebung sind. Sie leiden unter einer ständigen Angst, die grundlos ist, und schaffen sich durch die Selbstverletzung Erleichterung.
Viele SVV-ler sind nicht in der Lage ihre Gefühle anders auszudrücken oder die Emotionen anderer Menschen wahrzunehmen, dies führt zu einer Isolation, einem defensiven Leben, in dem es lediglich ums Überleben geht.


Das Gesamtbild zeigte sich bei Menschen, die:

- sich selbst nicht leiden können und sich verneinen
- sehr empfindlich auf Ablehnung reagieren
- chronisch ärgerlich sind, normalerweise auf sich selbst
- dazu neigen, ihre Angst zu unterdrücken
- einen hohen Grad aggressiver Gefühle besitzen, was sie sehr stark mißbilligen und dann häufig unterdrücken, oder nach innen lenken
- impulsiver sind und es an Impulskontrolle mangelt
- dazu neigen nach ihrer momentanen Stimmungslage zu handeln
- dazu neigen, in den Tag hinein zu leben und nicht weiterzuplanen
- die depressiv und selbstmordgefährdet/selbstzerstörerisch sind
- unter chronischen Angstzuständen leiden
- leicht reizbar sind
- die sich selbst als nicht fähig erachten, mit Situationen und Emotionen umzugehen
- keine vielfältigen Möglichkeiten der Verarbeitung und Bewältigung besitzen
- glauben, daß sie nicht die Fähigkeit besitzen, ihr Leben zu meistern
- dazu neigen, "den Kopf in den Sand zu stecken", vermeiden Probleme
- kein Selbstvertrauen besitzen
- sich als machtlos empfinden
- sich überall, wo sie sind, allein fühlen
- sich emotional niemandem anvertrauen, sich auf niemanden verlassen können

Genaue Zahlen, wie viele Menschen sich in Deutschland selbst verletzen gibt es nicht, nach Schätzungen sind es ca. 800.000 Mädchen, mit Sicherheit sind es aber mehr. Daten über Jungen gibt es kaum, die Zahl wird aber als deutlicher geringer eingestuft, das Verhältnis ist etwa 5:1.
Das sich hauptsächlich Mädchen ritzen wird darauf zurückgeführt, dass sie nach gesellschaftlichen Normen ruhiger und fürsorglicher als Jungen sein sollen, ihre Aggressionen oft nicht ausleben dürfen. Schon in der Erziehung haben sie Angst vor Liebesentzug, da sich ihre Agressionen als erstes gegen die Mutter richten, dies führt zu einem nach Innen richten der Aggressionen, Jungen agieren eher fremdaggressiv.
SVV beginnt häufig in der Pupertät, sie ist eine schwierige Phase in der es ein grosses Aggressionspotential gibt, dass Mädchen schlecht nach aussen bringen können. Sie suchen die Fehler oft bei sich selbst, wenn sie einen Verlust von Liebe und Anerkennung
erfahren, nachdem sie versucht haben ihre Interessen durchzusetzen, aus diesem Konflikt resultiert oft eine depressive oder autoaggressive Reaktion.

SVV ist oft nur ein Symptom unter vielen, daher kann man diese Aussagen nicht verallgemeinern, natürlich können auch ganz andere Personen betroffen sein! Vielen SVV-ler sind ihre Probleme vielleicht gar nicht bewusst, sie fühlen sich vielleicht unverstanden, weil es nach aussen so aussieht, als hätten sie ein ganz normales Leben und "dürften" gar keine Probleme haben. Gerade der Satz "was willst Du denn schon für Probleme haben" tut weh und ist sicher nicht die richtige Reaktion, wenn jemand versucht sich einem anderen Menschen anzuvertrauen!


Quellen:
levenkron, s (1998)
teuber, k (2000)
pipher, m (1996)

 

Alternativen:

-Versuche Dich zu entspannen bzw. abzulenken, z.B. Tief durchatmen, Baden, Musik hören, Lesen, Fernsehen...

-Mit jemandem sprechen (ein Freund, Therapeut oder Telefon-Krisendienst)

-Versuche, möglichst nicht alleine zu sein (einen Freund besuchen, einkaufen, spazierengehen)

-Tagebuch schreiben bzw. schreibe das auf, was Du momentan fühlst, was Dir durch den Kopf geht

-Versuche deine Gefühle kreativ umzusetzen, z.B. durch Zeichnen

-Trage ein Gummi um Dein Handgelenk und laß es schnalzen, wenn Du den Drang hast, Dich selber verletzen zu wollen.

-Male Dir rote Striche mit wasserlöslichen Filzstiften auf die Haut anstatt zu schneiden.

-Presse Eiswürfel an Deine Haut. Die Kälte ist zwar schmerzhaft, aber weder gefährlich noch gesundheitsschädlich.

-Versuche Dich nicht in Versuchung führen zu lassen, d.h. halte Dich nicht an Orten auf, wo du z.B. deine Klingen aufbewahrst

-Versuche Deine Aggressionen loszuwerden (Schlag auf ein Kissen oder eine Matratze, geh nach draussen und schrei alles aus Dir heraus) Sportart, bei der Du Deinen inneren Stress abbauen kannst

-Weine, wenn du kannst. Du fühlst dich besser, wenn die Tränen erst einmal raus sind.

-Tu irgendetwas mit deinen Händen (Malen, Zeichen, Aufräumen, Abwaschen, Hausarbeiten)

-Schreibe einen Brief an die Person, die Dich traurig oder wütend macht bzw. die Dich verletzt hat.

-Schreibe Dir Deinen ganzen Frust von der Seele, verfasse Kurzgeschichten oder Gedichte.

-Mach Musik, spiele ein Instrument spielen oder erlerne es.

-Höre laut Musik und versuche dich voll auf das Lied zu konzentrieren, lasse dich sozusagen davon fesseln.

-Versuche Deine Gefühle mitzuteilen anstatt sie zu schlucken oder sie für Dich zu behalten.

-Nimm den Gegenstand, mit dem du dich sonst selber verletzt und richte es dieses Mal gegen etwas anderes als dich selbst.

-Sage Dir, dass Du Dich in 15 Minuten immer noch verletzten kannst. Versuche nach den 15 Minuten, ob du es nochmal 15 Minuten aushälst.

-Schreib eine Liste mit Gründen, warum du das Schneiden aufhören wirst. Immer wenn du dann den Drang verspürst, dich selber zu verletzen, lies die Liste als Erinnerung daran, warum du es jetzt nicht tun solltest.

-Wenn Du kurz davor bist Dich zu verletzten, versuche nachzudenken: Warum mache ich das? Möchte ich es wirklich? Hilft es mir? Was werden die Folgen sein? Möchte ich mit diesen Folgen leben?

-Wenn der Drang dennoch nicht weniger wird, erlaube Dir das SVV, aber bestimme vorher wie weit und versuche die Grenze nicht zu überschreiten.

klosinski, g (2000)

 





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